Bei der Ankündigung war ich begeistert, Microsofts Kinect schien genau das umzusetzen, was ich mir seit der Wii erträumt hatte. Während der vergangenen E3 stellte sich dann aber doch Ernüchterung ein. Zu viel Casual-Kram und zu wenig für echte Gamer. Als dann noch der Preis von 150€ genannt wurde, flaute das Interesse vorerst ein gutes Stück ab. Nun beschlossen wir auf der GamesCom einfach mal zu testen, wie die neue Technik wirklich funktioniert und spielten vier verschiedene Titel an. Erst gab es Joy Ride, ein Rennspiel mit den Xbox Live-Avataren im Mario Kart-Stil. Zwar hakte die Menüsteuerung via Gesten, doch im Rennen funktionierte meist alles wunderbar. Man tat so, als wenn man ein Lenkrad in den Händen halten würde und steuerte sein Fahrzeug so über die Strecke. In der Luft musste man sich für Stunts zur Seite, nach vorne oder nach hinten lehnen. Bei anderen gab es allerdings ein paar Schwierigkeiten. Fuhren beide geradeaus und lenkte einer der Fahrer, so reagierte plötzlich das Fahrzeug von Spieler 2. Das ärgerte natürlich und es bleibt zu hoffen, dass diese Ungereimtheiten auf die vielen äußeren Einflüsse zurückzuführen sind. Sehr witzig ist die kleine Fotoshow nach jedem Rennen. Da sieht man den Gegenspieler mit bösem Blick seinen verpassten Sieg hinnehmen, während man selbst über die eigene Siegerpose lacht.
Beim zweiten Titel ging es um mehr Bewegung: Wir testeten Kinect Sports an. Im Fußball-Match musste man nicht laufen, die einzigen Aktionen waren das Schießen und das Abwehren. Gerade beim Schießen fühlte man sich wie eine lebensgroße Tipp-Kick-Figur, die sobald der Ball am Fuß klebt, einfach das Bein nach oben schwingen muss. Zum Blocken musste man einen Schritt in die angedeutete Schussrichtung des Gegner machen oder als Torwart mit den Händen den Ball erwischen. Gerade beim Schritt zur Seite hakte die Erkennung in unserem Match – so verloren wir mit 3:0. Spiel 2 klappte da schon besser, es ging zum Speerwurf. Ich begann und sollte auf der Stelle laufen und die Knie dabei möglichst hoch ziehen. Schließlich kam der Wurf: Weit, sehr weit. Sogar über 70 Meter weit. Allerdings so weit rechts, das er außerhalb des gültigen Bereichs landete. Foul! Die anderen warfen etwa 50 Meter und ziemlich komische 20 Meter. Das Spiel machte schon mehr Spaß, wenn das anschließend gezeigte Video von Anlauf und Wurf auch recht peinlich aber ebenso lustig für die Akteure war.
Später schauten wir dann bei Kinectimals zu. Im Nintendogs-Verschnitt saß ein süßer, schön anzusehender Tiger auf dem Boden und wollte erstmal ein wenig gestreichelt werden. Dann musste man ein paar mal hochspringen, um ihm Sprünge beizubringen. Hier funktionierte die Erkennung ein weiteres Mal nicht gerade optimal. Der Spieler wurde darauf hingewiesen, dass er besonders die Knie hochziehen solle. Erst mit diesem Tipp lief es besser. Nach ein paar Streicheleinheiten und Übungen ging es auf einen Pacours, bei dem man lief, sprang und krabbelte, damit die kleine Raubkatze die Hindernisse in Bestzeit überwand. Hier sah die Erkennung der Bewegungen schon besser aus. Insgesamt ist Kinectimals wohl nicht viel mehr als eine nette Demonstration der Kinect-Fähigkeiten. Um wirklich zu überzeugen muss die Toleranz der Hardware gegenüber bestimmten Bewegungen jedoch noch optimiert werden.
Zuletzt gab es dann mein persönliches Kinect-Highlight: Kinect Adventures. Das Spiel besteht aus typischen Partyminigames, die uns durch eine gut funktionierende Erkennung endlich überzeugt haben. Man sah oft seinen eigenen Avatar und es war erstaunlich, wie gut die Bewegungen übertragen wurden. Winkte man sinnlos herum, verschränkte man die Arme oder alberte sonst irgendwie herum, so tat die kleine Figur es auf dem Bildschirm genauso und sorgte so für Staunen und viele Lacher.
Auch in den Spielen ging es um viel Bewegung. Während einer Draisinen-Fahrt musste man Gegenständen ausweichen und Münzen einsammeln. Dazu bückte man sich, bewegte sich zur Seite und streckte die Arme nach oben, unten, links und rechts, um die Münzen stets zu erwischen.
Bei einem anderen Spielchen schwebten wir durch Flügelschlagen mit den Armen durch einen Raum und mussten erneut Münzen sammeln. Neu war hier, dass man sich nach vorne und hinten bewegen muss, um auch im Spiel Münzen im Vorder- und im Hintergrund einsammeln zu können. Im dritten Spiel standen wir zu zweit auf einem Schlauchboot und rasten in rasantem Tempo einen reißenden Fluss herab. Auch dieses Spiel steuerte sich angenehm und spaßig.
Einen kurzen Einblick gab es auch ins neue Harry Potter, dass für die 360-Fassung einen exklusiven Kinect-Modus spendiert bekommt. Hier läuft man in einem Rail-Shooter durch Level und kämpft mit Kinect-Magie. Mit Fingerzeig und verschiedensten Gesten lässt man unterschiedliche Zaubersprüche los. Das sah ganz nett aus, konnte allerdings nicht unbedingt vom Hocker reißen.
Insgesamt machte Kinect einen ordentlichen, aber noch nicht einhunderprozentig ausgereiften Eindruck. Ein paar Probleme kann man vielleicht durch die vielen äußeren Einflüsse der Messe entschuldigen, aber was bisher zu sehen war, war eben auch nicht deutlich mehr als Wii-Rumgewackel und -Gehüpfe für die Xbox 360. Für einen Kauf zum Release reicht das für mich noch lange nicht, ich warte auf eine Unterstützung in Rollenspielen oder anderen interessanten Games. Bis jetzt war eher zu sehen, dass Microsoft sich vorerst der Casual-Schiene widmet. Ob sie damit gut fahren, wage ich bei den vielen Wii-Besitzern und angesichts des hohen Grundpreises zu bezweifeln.