Review zu Risen

Veröffentlicht in: Games | 2

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Die Nacht bricht herein und die nächste Unterkunft ist noch viel zu weit entfernt. Ein Fluch verlässt meine Lippen, ich habe nur noch eine Fackel in meinem Rucksack. Schnell setze ich mich wieder in Bewegung und eile den Pfad entlang, den ich bereits mehrfach bereist habe. Vor mir liegt jetzt noch ein Waldstück, in dem ich die richtige Abzweigung erwischen muss, dann sollten mir schon die Fackeln eines verlassenen Häuschens entgegenlachen. Wenn nicht auch die Heiltränke schon ausgegangen wären und ich nun nicht mit lediglich drei Heilpflanzen durch die Wildnis irren müsste. Alles jammern hilft nix, dafür trage ich schließlich ein brandneues Schwert bei mir. Während ich den Pfad ohne Unterbrechungen entlang eile, verschwindet die Sonne hinter den Gipfeln der sich am Horizont erhebenden Berge. Der Himmel hat zwar noch eine schön anzusehende gelb-rötliche Färbung, auf dem Boden sieht man allerdings kaum noch etwas. Meine Schritte werden langsamer, die Umrisse der ersten Bäume, die das dichte Waldstück ankündigen, wachsen mit jeder Sekunde mehr zusammen und bilden eine schwarze, undurchdringliche Wand. Aus allen möglichen Blickwinkeln inspiziere ich den Boden, um weiterhin auf dem Schotterweg zu bleiben.
Dann höre ich ein Grunzen. Erschrocken bleibe ich wie erstarrt stehen und ziehe meinen großen Zweihänder. Zu sehen ist jedoch gar nichts. Vorsichtig drehe ich mich einmal um die Achse. Das Grunzen ertönt kein zweites Mal. Eigentlich sollte ich auf dem Weg auch nichts zu befürchten haben, denke ich mir. Also gehe ich langsam und mit gezücktem Schwert weiter. Nach wenigen Schritten höre ich auf einmal Geräusche hinter mir. Instinktiv drehe ich mich in die Richtung der Geräusche, doch ich bin zu langsam und ungestüm. Ein Keiler springt mich mit aus vollem Lauf an und versetzt mir einen Biss. Dieser setzt mir kaum zu, viel schlimmer sind das rasende Herz und die kurze Orientierungslosigkeit, bevor ich mit einem wuchtigen Seitwärtshieb in die grobe Richtung des Keilers schlage. Der Schlag führt ins Leere, doch aus den Augenwinkeln erblicke ich den Gegner, korrigiere mit dem Ausfallschritt meine Position und nutze den Schwung für einen brachialen Schlag aus der Drehung. Mit einem schlitzenden Geräusch fällt der Keiler durch den einen Schlag und haucht zuckend sein Leben aus. Immer noch mit rasendem Herz warte ich auf weitere Wildtiere. Als nach zehn Sekunden aber nichts passiert, stecke ich das Schwert weg und bücke mich hinunter zum Wildschwein. Mit meinen fachkundigen Fingern kann ich etwas Fleisch entnehmen, was so roh allerdings ungenießbar ist.

 

Ein Strand und ein neuer Held
Weiter geht es und ich muss lächelnd an meine ersten Tage auf der Insel denken. Ich war als blinder Passagier auf ein Schiff gesprungen, bis es plötzlich ein furchtbares Unwetter gab. Das Schiff ging unter und die zahlreichen Opfer wurden an den Strand einer Insel gespült. Als ich zu mir kam, regnete und gewitterte es immer noch heftig. Ich hatte nichts mehr, alle waren tot. In den gestrandeten Trümmerteilen fand ich einen Ast, mit dem ich mich während des Inspizierens des Strandstückes auch sogleich gegen riesige Geier wehren musste. Es war nicht leicht, doch am Ende überlebte ich den Kampf knapp. Bevor ich dem Meer den Rücken zukehrte, untersuchte ich die zahlreichen Leichen und stellte erfreut fest, dass ich nicht der einzige Überlebende war. Sarah hatte es ebenfalls geschafft und gemeinsam mit ihr kämpfte ich mir einen Weg bis zu einer verlassenen Hütte frei. Sarah wollte erstmal dort bleiben, während es mich weiter ins Landesinnere zog. Schon nach kurzem traf ich dann auf die ersten Bewohner der Insel, genauer gesagt führte mich ein Weg zu einer kleinen Farm. Dort wurde ich dann erstmals mit den sogenannten „Weißen“ konfrontiert, den Kriegern der Inquisition, die mit Gewalt die Herrschaft über die Insel an sich gerissen haben. Während des Besuchs eines solchen Kriegers versteckte ich mich in einem Stall und erholte mich von den Strapazen. Mit ein wenig Feldarbeit und Jagd auf störende Wildtiere verdiente ich mir das eine oder andere Goldstück hinzu und setzte meine Reise fort.
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Durch Gespräche mit ein paar Personen, die in der Wildnis leben oder vor geheimnisvollen Tempeln wachen, erfuhr ich, wie es um die Vulkaninsel steht. Während die Inquisition die Herrschaft übernommen und nun in der Vulkanfestung ihren Hauptsitz hat, haben die sogenannten Banditen sich in ein Sumpfgebiet zurückgezogen. Auch eine Hafenstadt gibt es, in der ebenfalls die Inquisition das Sagen hat. Letztere war auch der erste größere Ort, an den ich gelangte.
An dieser Stelle lernte ich das raue Leben auf dieser Insel kennen. Nur gegen Schmiergeld ließ die Stadtwache mich durch und innerhalb der Stadtmauern wurde schnell klar, dass ich mich für eine der zwei Seiten entscheiden musste. Einmal gibt es die sogenannten Banditen, die auch in der Stadt noch verzweifelt darum bemüht sind, wieder Oberhand zu gewinnen. Natürlich wurde auch ich schnell um Hilfe gebeten, genauso wie auch von der Inquisition. Beide Parteien sind jedoch auch äußerst misstrauisch, was das Leben in der Stadt ganz schön erschwert hat. Letzten Endes habe ich mich für die Inquisition entschieden, auch wenn sie des Öfteren nicht allzu rechtens handeln. Dafür bietet mir dieser Weg für die Zukunft die Möglichkeit, mich als Magier ausbilden zu lassen.

 

Die geheimnisvollen Tempel
Genau auf diesem Wege befinde ich mich gerade. Egal ob als Bandit oder Kämpfer für die Inquisition, die eigentliche Gefahr auf dieser Insel ist eine andere. Auffällig sind beispielsweise die fiesen Gnome, kleine raubende Wesen, die sich fast ausschließlich in größeren Gruppen aufhalten und so ganz schön gefährlich werden können.
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Schlimmer noch sind die Wesen in den seltsamen Tempeln, die vor meiner Ankunft wohl urplötzlich aus dem Boden geschossen sind. Seitdem vibriert die Erde regelmäßig und meinen ersten Besuch eines solchen Tempels habe ich bitter bereut. Eine Panzergrille ließ mir kaum eine Chance und kurz vor dem Tod blieb mir nur die enorm knappe Flucht. Seitdem reise ich durch die Welt, habe bei der Inquisition genügend Respekt erlangt, um mich frei zwischen den Städten bewegen zu dürfen und sammle durch viele kleine Abenteuer Erfahrung.
Mit meiner nagelneuen Waffe ausgestattet schreite ich nun also enorm vorsichtig den Weg entlang, um nicht erneut von einem Keiler angegriffen zu werden. Meine Sinne sind bis zum Äußersten gespannt, ich achte auf jedes noch so kleine Geräusch. Plötzlich höre ich ein Grunzen. Es ist anders als das des Keilers und ich ahne, dass die Ursache des Lautes mir nicht gefallen wird. Panisch nehme ich die Fackel in die Hand und entzünde sie. In einem Radius von ein paar Schritt beleuchtet das Feuer den Wald und zeigt mir, dass ich leicht vom Weg abgekommen bin. Doch hinter der dem Fackelschein gibt es nichts, nur eine unheimliche schwarze Wand, in der ich rein gar nichts sehen kann. Ich gehe vorsichtig weiter und schließlich höre ich es. Ein lautes Stampfen und drohende knurrende Laute. Die Erde zittert beinahe, ich bin mir jetzt sicher, dass etwas ziemlich großes auf mich zu kommt. Und dann sehe ich ihn. Mit riesigen Schritten und einer gigantischen Keule in der Hand stürmt ein Troll auf mich zu. Ich lasse die Fackel fallen und renne los. Im Laufen zücke ich irgendeinen meiner Teleportsteine.
Plötzlich versperren mir große Felsen den Weg und es gibt keinen Weg mehr, der nach vorne führt. Ich drehe mich um und sehe gerade noch, wie die Riesenkeule mit enormer Wucht auf meinen Körper trifft und mich durch die Luft schleudert. Als ich lande, merke ich, dass ich nur durch Glück nicht bereits tot bin. Schnell löse ich den Teleportzauber aus und sehe, wie der Troll über mir steht, die Keule zum Todesschlag erhoben. Dann, endlich löst sich die dunkle Umgebung vor mir auf.
Im nächsten Moment sehe ich Fackelschein und höre Menschenstimmen. Ich bin in Sicherheit, habe mich direkt in die Vulkanfestung teleportiert. Erschöpft schleppe ich mich in meine kleine Hütte und lege mich aufs Bett. Bevor ich einschlafe, schwöre ich mir, dass ich mich erstmal den Studien in der Festung widme und endlich meine ersten mächtigen Zaubersprüche lerne, bevor ich mich noch einmal nachts in die Ländereien stürze.

 

Die Abenteuer von außen betrachtet
Wem die beschriebenen Situationen bekannt vorkommen, der dürfte wohl ein Spieler der Gothic-Serie sein. Risen ist der inoffizielle Nachfolger und spielt sich durch und durch wie eines der rauen Rollenspiele. Wie üblich erfährt man wichtige Informationen durch Gespräche mit den vielen Bewohnern der Insel, sammelt Erfahrungen durch Kämpfe mit den vielen verschiedenen und kreativ entworfenen Kreaturen und lernt mithilfe der gewonnenen Erfahrungspunkte neue Fähigkeiten. Die Insel ist bei weitem nicht so riesig wie die Welt in Gothic 3, vielmehr ist sie kompakt aber sinnvoll besiedelt.
Betrachten wir einmal die technische Seite des Spiels, die auf der Xbox 360 bereits einige Diskussionen ausgelöst hat.
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Der Sound macht eigentlich alles richtig. Die Hintergrundmusik baut an den richtigen Stellen Spannung auf und erinnert immer wieder an die wundervollen Werke aus der Gothic-Serie. Alle Bewohner der Insel wurden mit Stimmen ausgestattet, die auf ganzer Linie überzeugen. Auch hier ist man hohes Niveau der Gothic-Serie gewohnt und bekommt genau dieses geliefert. Der sarkastische und ironische Ton des namenlosen Helden weiß zu gefallen und sorgt dafür, dass man sich sehr schnell mit ihm identifizieren kann. Auch die sonstigen Soundeffekte passen und runden die dichte Atmosphäre des Spiels wunderbar ab.
Die Grafik spielt da in einer ganz anderen Liga. Leider sprechen wir hier von ein paar Ligen tiefer. Das Spiel präsentiert sich bei weitem nicht zeitgemäß und hinkt der PC-Fassung stellenweise unglaublich hinterher. Kommen wir zuerst zu den positiven Aspekten: Es gibt viel zu entdecken und wirklich schöne Momente im Spiel. Das Wetter ist sehr gelungen und wechselt neben dem üblichen Tag-/Nachtrhythmus auch von Sonne über Regen bis hin zu düsteren Gewittern. Trotz der vielen Mängel ist das Spiel sehr atmosphärisch und erinnert stark an Gothic 2.
Extrem störend ist aber beispielsweise die Weitsicht. Sie ist einfach mickrig und so kann man im schlimmsten Fall nicht einmal die Aussicht von einem Felsvorsprung genießen, weil man den Boden nicht mehr sehen kann. Das hängt nicht mit der Höhe des Aussichtspunktes zusammen, vielmehr ist ein gutes Stück vorher Schluss mit Sichtweite. Auch die Texturen spielen nicht gerade auf hohem Niveau mit, überhaupt ist es sehr fraglich, warum die Entwickler sich bei der 360-Version scheinbar kaum Mühe gegeben haben. Wer Interesse am PC-Spiel hat, der braucht sich über diese Macken keine Gedanken machen. Nur der Grafik wegen sollte man sich als reiner 360-Spieler aber auch nicht vom Kauf abhalten lassen. Zu keiner Zeit wird Risen durch die optischen Defizite unspielbar, es ist halt einfach nur frech und schade, dass man sich hier nicht genug ins Zeug gelegt hat bzw. im Nachhinein nachlegt.
Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle die fast komplette Bugfreiheit. Im Angesicht des Desasters, welches Gothic 3 zum Release darstellte, darf man misstrauische aber potentielle Käufer hier beruhigen und muss den Entwicklern ein Lob aussprechen.
Gesteuert wird das Spiel ohne Probleme. Die Knopfbelegung bereitet nie Schwierigkeiten, einziger Kritikpunkt ist die sehr hohe Drehgeschwindigkeit um die eigene Achse. Schade, dass die Piranhas hier keine alternativen Einstellungen anbieten, falls jemand damit nicht klar kommt.
Das Kampfsystem darf natürlich nicht unbeschrieben bleiben. Anders als beim indirekten Vorgänger Gothic 3 gibt es kein wildes Buttonsmashing oder Mausgeklicke mehr, vielmehr erweitert man seinen Kampfhorizont im Laufe des Spiels und lernt neue Moves. Anfangs gibt es noch nicht allzu viele Möglichkeiten, doch später kann man vorbildlich eine eigene Mischung aus frontalen Schlägen, Seithieben, Paraden und Ausweichmanövern anwenden, um auch mit starken Gegnern fertig zu werden. Hier wird also Wert auf den eigenen Skill gelegt, was vielen Spielern vermutlich sehr zusagt.

 

Risen – Konservativ und Gothic pur!
Viele schreien vielleicht nach Neuerungen in der Gothic-Serie. Die findet man in Risen definitiv nicht. Es fühlt sich an wie ein Gothic 2 mit einem etwas anderem Held, in einem gänzlich anderen Gebiet und mit neuer, interessanter Story. Wer Spaß an den Gothic-Spielen hat, der wird hier garantiert glücklich. Eine dichte Atmosphäre mit rauen Charaktern und Orten, ein gelungenes Kampfsystem, die schnell ausgelöste Sucht, den Helden stetig zu verbessern und viele Stunden altbewährte Rollenspielkost sprechen vermutlich für sich.
Doch kritiklos kommt vermutlich kein Spiel davon und so muss man sich wirklich fragen, warum die Xbox 360-Version optisch so unterentwickelt auf den Markt gebracht wurde. Alleine die Sichtweite und die Texturen sind eine Frechheit, immerhin wird die Spielbarkeit dadurch aber nicht beeinflusst.
Wer sich unsicher ist, sollte am Besten einmal die PC-Demo herunterladen und anspielen, allen Gothic-Fans kann man das Spiel aber vermutlich ohne Bedenken ans Herz legen. Ob PC- oder 360-Version, das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich habe mich für die Couch und den großen Fernseher entschieden und bin trotz der grafischen Schwächen froh darüber.

 

+ Schöne, frei erkundbare Insel
+ Toller Sound und passende Stimmen
+ Typische raue Gothic-Atmosphäre
+ Gelungenes Kampfsystem
– Grafik auf 360 teilweise eine Frechheit
– Keine großartigen Neuerungen im Vergleich zur Gothic-Serie

 

Die folgende Wertung gilt für die Xbox 360-Version (für den PC gäbe es eine bessere Grafiknote):
Grafik: 5
Sound: 9
Steuerung: 8
Spielspaß: 8.5
Gesamt: 80%

  

Nachtrag zum Kommentar von Stuessy:
Oblivion habe ich leider nur auf dem PC gespielt, da die Grafik auf der Xbox 360 aber gleichwertig sein soll (korrigiert mich, falls ich falsch liege), würde ich sagen, dass Risen das Niveau eher nicht erreicht.
Zum Patch: Irgendwann war er ganz unerwartete da, die Konsole hat ihn in wenigen Sekunden gezogen und ich habe keine Änderungen festgestellt. Es soll ein wenig mehr Vegetation geben, das ist mir aber nie wirklich aufgefallen. Die einzige echte Neuerung ist ein Schieberegler für die Helligkeit, vorher fand auch ich das Spiel nämlich eindeutig zu dunkel.
Einen weiteren Nachteil findet man in der Schriftgröße. Die ist viel zu klein und bis jetzt wurden keine Anstalten für eine Verbesserung gemacht.
Zur 360-Version würde ich genau dann raten, wenn ein großer Fernseher und die Couch als stärkste Argumente wirken, andernfalls ist wohl das PC-Risen die bessere Wahl.

2 Antworten

  1. Terra

    Sehr schön geschriebenes Review. Besonders die Einleitung finde ich sehr schön und stimmig. Von mir aus dürfen ruhig noch weitere Xbox Reviews folgen. :)

  2. Stuessy

    Hat Spaß gemacht zu lesen. Jetzt weiß ich auch warum das so lange gedauert hat. ;)

    Zwei Sachen würden mich interessieren:
    1. Ist die Grafik wenigstens auf Augenhöhe mit Oblivion für die Xbox
    2. Es gab doch einen Patch für Risen oder? Hat der irgendwas gebracht?

    Ich denke nach deinem Review werde ich mich aber für die PC-Variante entscheiden.

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